Die Renaissance des Buchclubs: Gemeinschaftliches Lesen im digitalen Zeitalter

Buchclubs scheinen in unserer schnelllebigen, digitalen Welt ein Relikt vergangener Zeiten zu sein. Doch das Gegenteil ist der Fall: Sie erleben eine Renaissance. Sie sind Ausdruck eines menschlichen Bedürfnisses nach Gemeinschaft, intellektuellem Austausch und der Freude am Lesen. Die Digitalisierung bietet Buchclubs dabei neue Möglichkeiten und erweitert ihre Reichweite.

Buchclubs im Wandel der Zeit

Von der analogen zur digitalen Welt

Traditionell trafen sich Buchclubs in Wohnzimmern, bei Freunden, Nachbarn oder Kollegen. Der persönliche Austausch stand im Mittelpunkt. Die Covid-19-Pandemie beschleunigte jedoch den Wandel, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete (SZ). Kontaktbeschränkungen machten persönliche Treffen schwierig, und Literaturliebhaber suchten nach Alternativen.

Die Geburt digitaler Buchclubs

Digitale Plattformen wie Zoom, Slack oder spezielle Webseiten wurden zu virtuellen Treffpunkten. Sie ermöglichen es, sich unabhängig vom Wohnort zu vernetzen. Ein Beispiel ist der “Book Broker”, gegründet von Evelyn Unterfrauner in München. Ihr Ziel war es, Menschen zum Lesen zu animieren. Der Buchclub hat rund 200 aktive Mitglieder, die sich monatlich online treffen. Die Auswahl reicht von Klassikern wie Orwells “1984” bis zu aktuellen Sachbüchern wie “Sprache und Sein” von Kübra Gümüşay.

So funktionieren digitale Buch-Diskussionen

In digitalen Buchclubs tauschen sich Mitglieder oft in Chats aus, während sie lesen – ohne Spoiler! Am Monatsende folgt eine Diskussion per Videokonferenz. Zuerst wird das allgemeine Leseerlebnis besprochen, dann Details wie Handlungsorte und Charaktere. Viele digitale Buchclubs nutzen zusätzliche Funktionen wie Umfragetools, um über das nächste Buch abzustimmen, oder gemeinsame Notizbereiche, um Zitate und Gedanken festzuhalten. Virtuelle Whiteboards ermöglichen es, Ideen visuell darzustellen und gemeinsam zu entwickeln. Diese Werkzeuge fördern die Interaktion und Zusammenarbeit.

Buchclubs: Mehr als nur ein privates Vergnügen

Buchclubs sind längst nicht mehr nur private Initiativen. Auch Institutionen haben ihr Potenzial entdeckt.

Der digitale Buchclub des Staatstheaters Augsburg

Das Staatstheater Augsburg rief während des Lockdowns einen digitalen Buchclub ins Leben, der sich großer Beliebtheit erfreute und zum festen Bestandteil des Angebots wurde. Passend zur geplanten, aber verschobenen Inszenierung stand zunächst Thomas Manns “Der Zauberberg” auf dem Programm, gefolgt von John Steinbecks “Früchte des Zorns”. Experten des Theaters nahmen an den Diskussionen teil und bereicherten den Austausch. Ein weiteres Beispiel des Staatstheaters Augsburg findet sich hier.

Das Goethe-Institut und seine Buchclub-Initiativen

Das Goethe-Institut Irland (Goethe-Institut) bietet sowohl einen klassischen Buchclub in Dublin als auch einen internationalen Online-Buchclub. Der Dubliner Club trifft sich monatlich und diskutiert deutschsprachige Literatur, oft Werke, die noch nicht ins Englische übersetzt wurden. Der Online-Buchclub hingegen bringt Leser aus ganz Europa zusammen und ermöglicht Gespräche mit deutschsprachigen Autoren.

Der Einfluss von Social Media

Die Renaissance der Buchclubs wäre ohne Social Media kaum denkbar. Plattformen wie TikTok und Instagram haben das Lesen, besonders bei jungen Menschen, populär gemacht.

BookTok als digitaler Buchclub

BookTok, eine Subkultur auf TikTok, hat sich zu einem einflussreichen digitalen Buchclub entwickelt. Nutzer teilen Leseerfahrungen, geben Empfehlungen und diskutieren. Diese Vernetzung macht das Lesen für viele wieder attraktiv. Die Stuttgarter-Zeitung (Stuttgarter-Zeitung) berichtete über ähnliche Entwicklungen mit ‘Silent Reading Partys’.

Prominente und ihre Buchclubs

Auch Prominente wie Reese Witherspoon und Emma Watson nutzen ihre Reichweite, um eigene Buchclubs zu bewerben. Sie teilen ihre Leseleidenschaft und laden zum Austausch ein, wodurch Buchclubs als Trend wahrgenommen werden.

Die Rückkehr der analogen Buchclubs

Trotz des digitalen Booms erleben traditionelle Buchclubs eine Renaissance. Sie bieten einen Gegenpol zur digitalen Welt und betonen den persönlichen Austausch.

Der Basler Buchclub

Der Basler Buchclub, gegründet von Lydia Zimmer (TagesWoche), trifft sich in einem Café in lockerer Atmosphäre. Im Mittelpunkt steht die gemeinsame Diskussion. Der Buchclub wählt Bücher aus verschiedenen Ländern aus.

Warum analoge Buchclubs funktionieren

Buchclubs, ob digital oder analog, zeigen: Das Bedürfnis nach Gemeinschaft und Austausch ist stark. Die Teilnehmer kommen aus allen Altersgruppen und Schichten. Sie alle verbindet die Liebe zum Lesen. “Es ist einfach schön, sich mit anderen über ein Buch auszutauschen, das man gelesen hat. Man bekommt neue Perspektiven und lernt oft Dinge, die man alleine gar nicht bemerkt hätte”, sagt eine Teilnehmerin eines traditionellen Buchclubs in Hamburg.

Neue Modelle für Buchclubs

Die Renaissance der Buchclubs zeigt sich auch in neuen Geschäftsmodellen.

Das Bookchoice-Modell

Das E-Book-Startup Bookchoice (Buchreport) aus Amsterdam bietet für einen monatlichen Betrag eine kuratierte Auswahl an E-Books. Durch Kooperationen will Bookchoice neue Leser gewinnen. Dieses Modell zeigt, wie digitale Angebote das Lesen fördern können.

Bibliotheken als Buchclub-Zentren

Auch Bibliotheken spielen eine wichtige Rolle. Die Stadtbibliothek Paderborn (Stadtbibliothek Paderborn) bietet nicht nur klassische Buchclubtreffen, sondern auch den “Lese-Lauf-Treff”, der Lesen und Bewegung kombiniert. Die Stadtbücherei Teublitz (Teublitz) bietet mit der “Leselounge mit Libby” einen besonderen digitalen Buchclub an. Solche Angebote zeigen, wie Bibliotheken zu modernen Zentren der Begegnung werden.

Buchclubs für alle

Digitale Buchclubs haben einen Vorteil: Sie fördern Inklusion und Vielfalt.

Mehr Barrierefreiheit

Menschen mit Behinderungen, die Schwierigkeiten haben, an physischen Treffen teilzunehmen, können online problemlos dabei sein. Auch Menschen aus ländlichen Gebieten profitieren von digitalen Angeboten. Es gibt auch spezielle Buchclubs für bestimmte Interessengruppen, zum Beispiel für LGBTQ+-Personen, für Menschen mit Migrationshintergrund oder für Fans bestimmter Genres wie Science-Fiction oder Fantasy.

Globale Perspektiven

Digitale Buchclubs bringen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen zusammen. Diese Vielfalt bereichert die Diskussionen. Es gibt auch mehrsprachige Buchclubs, in denen Bücher in verschiedenen Sprachen gelesen und diskutiert werden. Dies fördert den interkulturellen Austausch und das Verständnis für andere Kulturen.

Herausforderungen der digitalen Buchclubs

Trotz der vielen Vorteile gibt es auch Herausforderungen. “Manchmal ist es schwierig, online eine echte Verbindung zu den anderen Teilnehmern aufzubauen”, sagt ein Mitglied eines Online-Buchclubs. “Es fehlt einfach die nonverbale Kommunikation, die man bei einem persönlichen Treffen hat.” Digitale Müdigkeit kann ein Problem sein, besonders wenn man beruflich schon viel Zeit vor dem Bildschirm verbringt. Auch technische Hürden können die Teilnahme erschweren, besonders für ältere Menschen oder Menschen mit schlechter Internetverbindung. Die Aufrechterhaltung der Verbindlichkeit kann in Online-Buchclubs schwieriger sein als in traditionellen Gruppen.

Buchclubs eine fortwährende Entwicklung

Die Renaissance des Buchclubs ist mehr als ein Trend. Sie zeigt, dass das Bedürfnis nach Gemeinschaft und Austausch tief verwurzelt ist. Buchclubs, ob digital oder analog, sind Orte der Begegnung, des Lernens und der Inspiration. Sie verbinden die traditionelle Kultur des Lesens mit den Möglichkeiten der digitalen Welt. Wie Elizabeth Eisenstein in “The Printing Press as an Agent of Change” (Five Books) darlegt, revolutionierte der Buchdruck einst die Lesekultur. Digitale Technologien verändern heute, wie wir lesen und uns austauschen. Der Buchclub erfindet sich immer wieder neu – und bleibt doch seinem Kern treu: der gemeinsamen Freude am Lesen.

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